Lassen Sie mich bitte zuerst
herzlich danken für die Einladung nach Neustadt.
Ich will gerne eingestehen,
dass die Aussicht eine Rede in deutsch halten zu müssen, wie ein ganz
unmögliches und zeitweise direkt Furcht einflößendes Projekt auf mich gewirkt
hat. Dabei gab es Tage an denen mir die Situation wirklich bedenklich vorkam.
Aber als im Sommer Ilse und
Uwe Tychsen fragten, ob ich teilnehmen will, sagte ich ja, denn es ist so
wichtig, dass wir endlich ernsthaft mit einer Debatte quer über den Belt
beginnen. Es ist wichtig, Bewusstsein dafür zu schaffen, dass wir uns als eine
Gemeinschaft in der Region begreifen müssen, wenn wir den vollen Nutzen aus
einer festen Verbindung ziehen wollen. – und deshalb müssen wir wohl heraus aus
dem Busch und Reden halten in einer Sprache, die wir nicht beherrschen.
Erfahrungen vom Großen Belt
und vom Øresund zeigen deutlich, dass
das Gefühl für Zusammengehörigkeit mit denjenigen auf der jeweils anderen Seite
eine entscheidende Bedeutung hat für den Erfolg des Projektes. Die Brücke über
den Großen Belt zum Beispiel wurde rasch ein umwerfender Erfolg, weil man mit
denen die auf der anderen Seite wohnten dieselbe Sprache hatte. Man lebt unter
der selben Gesetzgebung, hält dieselben Zeitungen und sieht dasselbe
Fernsehprogramm.
Ganz anders war das bei der
Øresundbrücke nach Schweden. – Und das wird auch nicht so leicht gehen bei der
neuen Verbindung über Fehmarn.
Die Kontakte zwischen den
Kreisen Storstrøm (Storstrøms amt) und Ostholstein müssen wesentlich
intensiviert werden, wollen wir für uns alle den vollen Erfolg haben aus dieser
neuen Verbindung. Alleine die Tatsache, dass ich viel lieber hier auf englisch
sprechen würde, zeigt den Umfang des sich abzeichnenden Problems. – Aber auch
auf die großen Möglichkeiten die gemeinschaftlicher Handel bringen kann ebenso
wie die kulturelle Bereicherung.
Die Schaffung dieses
Gemeinschaftsgefühls ist die große Herausforderung in den kommenden Jahren für uns alle, die wir im Einzugsgebiet
der neuen Verbindung wohnen.
In Dänemark begann die
Debatte um die feste Verbindung bereits vor einer Reihe von Jahren. Schon
Neunzehnhunderteinundneunzig gab der Dänische Straßenverkehrsverein eine
Untersuchung heraus, in der man nachwies, dass die Verbindung ein
gesamtökonomischer Gewinn sein würde, auch ein Gewinn für die Umwelt. Seitdem
wurden verschiedene Rapporte und Eingaben herausgegeben, bei denen ich auf die
wichtigsten eingehen will.
In
Neunzehnhundertvierundneunzig kam eine mehr durchgearbeitete Analyse vom
Forschungsinstitut für Gemeinden und Kreise heraus, über die Bedeutung für die
lokale wirtschaftliche Entwicklung. Diese gab allerdings ein recht negatives
Bild, weil man nicht von der Vorraussetzung normalen wirtschaftlichen Wachstums
allein durch die Aussicht auf die Verbindung ausging. In dieser Analyse
berechnete man nur den unmittelbaren lokalen Effekt der Brücke, wie sie
plötzlich dasteht in der Landschaft, ohne dass man vorher etwas von diesem
Vorhaben gewusst hat. – So funktioniert die Wirklichkeit natürlich nicht.
Solche Voraussetzungen werden leider niemals in der Presse berichtet, aber sie
haben eine große Bedeutung für das Resultat einer Untersuchung.
Nach den Projekten, die im
Augenblick allein in der Gemeinde Rødby vorliegen, werden dort keinerlei
Arbeitsplätze verloren gehen. – Und das steht ja im scharfen Kontrast zu den
Berechnungen des eben genannten Rapports, der von einem lokalen
Arbeitsplatzverlust von cirka
Vierzehnhundert spricht.
Dazu auch im Gegensatz
könnte der Rapport auf die besseren Bahnverbindungen für Pendler hinweisen
durch den entstehenden Ausbau der Bahnstrecke. Dafür gab es damals noch einige
Unsicherheit, weil man den negativen Effekt des Pendlerverkehrs bei der
Storebæltsverbindung noch nicht kannte.
Es ist doch aber völlig
klar, dass die feste Verbindung den Ausbau der Bahnstrecke nach sich ziehen
wird.
In
Neunzehnhundertsechsundneunzig erschien das erste Gutachten, herausgegeben von
den deutschen und dänischen Verkehrsministerien über die technischen und
umweltrelevanten Verhältnisse. Das Resultat ergab, dass es keine Probleme einer
eventuellen Störung der Strömungsvorgänge gab und auch keinerlei technische
Schwierigkeiten. Abgeleitet von der wirtschaftlichen Berechnung bevorzugte der
Rapport eine Brückenverbindung sowohl für Bahn als auch Autoverkehr. Die
Behinderung der Strömungsverhältnisse in der Ostsee bei dieser Lösung sei so
minimal, dass der jetzige Fährverkehr vermeintlich eine größere
Beeinträchtigung darstellt.
Zusammen mit der
Untersuchung des dänischen Straßenverkehrsvereins auf Minimierung der CO2–Belastung
hatte man bereits Neunzehnhundertsechsundneunzig die Erkenntnis, dass eine
feste Verbindung eine entscheidende Verbesserung der Umweltbedingungen für die
Ostsee wie für die Atmosphäre bedeuten würde. Trotzdem hört man immer wieder
die Einwände und Bedenken der Umweltschützer, nur ist zu sagen, dass hier
keinerlei Anlass zur Besorgnis vorliegt.
Bei dieser Gelegenheit wurde
auch der Vogelzug untersucht und auch hier gab es keinerlei Grund zur Sorge.-
Im Gegenteil, die späteren Erfahrungen bei der Storebæltbrücke ergaben, dass
die Vögel gern in der Nähe der festen Verbindung fliegen, vermeintlich weil sie
so eher eine Möglichkeit der Zwischenlandung sehen.
Neunzehnhundertachtundneunzig
veröffentlichte der Verband der Dänischen Industrie eine Untersuchung über die
Erwartung der lokalen Wirtschaftsbetriebe von einer festen Verbindung über die
Ostsee. Diese wies eine ausgesprochen positive Haltung dazu auf. Dabei ergab sich,
dass die Betriebe im hohen Grad sich anpassen wollen an die zukünftigen
Infrastruktur während der Bauzeit. Diese Untersuchung demonstrierte , dass die
negative Auslegung vom Forschungsinstitut für Kreise und Gemeinden von
Neunzehnhundertvierundneunzig nicht so sehr viel mit der Realität zu tun hat.
Die Wirtschaft wird sich immer zukunftsorientiert verhalten. – Das ist deren
selbst gestellte ständige Aufgabe.
In
Neunzehnhundertneunundneunzig erschienen zwei weitere Gutachten von den
Verkehrsministerien. Im Monat März wurde eine Verkehrsprognose veröffentlicht.
Diese wies eine sehr begrenzte Verkehrsmenge über die Vogelfluglinie auf.
Aber auch hier muss man
wieder auf die Voraussetzungen achten. Das muss man im Übrigen immer, denn hier
geht es um eine politische Botschaft eines Ministers aufgrund einer sogenannten
unabhängigen Untersuchung.
In dieser Untersuchung hatte
man vorausgesetzt, dass eine Fährverbindung zwischen Rödby und Puttgarden
aufrecht erhalten bleiben sollte und dass die Verbindung keinen Einfluss haben
soll auf die Anzahl der Fährfahrten zwischen Trelleborg und Rostock. Diese
Annahme hat aber große Bedeutung für das Resultat. Das geht hervor aus einem
Hinweis im Rapport, dass der Autoverkehr auf 30% steigen würde, falls man diese
Voraussetzungen weglässt.
In dem gesamten Rapport der
Verkehrsministerien, welche die gesamten vorherigen Untersuchungen
zusammenfassen, ist die Märzuntersuchung zugrunde gelegt ohne auf diese
unrealistischen Annahmen hinzuweisen. Dadurch kommt es auch zu einer
unrealistisch hohen Querungsgebühr.
Gleichzeitig bauen all die
Zahlen der vermeintlich schlechten Entwicklung auf auf die fünf Jahre alte
Untersuchung vom Forschungsinstitut der Gemeinden und Kreise, welche ja auch
ausging von zweifelhaften Voraussetzungen. - Muss ich darauf hinweisen, dass
wir in der Periode eine sozialdemokratische Regierung hatten in Dänemark, mit
einem Verkehrsminister aus Nordjütland, der kein Anhänger war für große
Brückenprojekte. – Sowieso nicht an unserem Ende Dänemarks.
Im April Zweitausendundeins
legten auf einer Konferenz in Weißenhäuser Strand die Kreise Storström und
Ostholstein eine Untersuchung von Erfahrungen aus anderen Regionen mit festen
Verbindungen vor. Das Resultat dieser Konferenz war, dass die politische,
kulturelle und erwerbsmäßige Zusammenarbeit zwischen den Kreisen intensiviert
werden muss, wenn die feste Verbindung wirklich ein Erfolg werden soll. Einer
der Teilnehmer sprach sich dafür aus, dass sowohl dänische wie auch deutsche
Politiker in der Region sich in beiden Sprachen verständigen können sollten.
Das Ergebnis beider
Untersuchungen ist ein sehr nützliches Werkzeug für alle, die sich in unserer
Region mit Lokalpolitik beschäftigen. Darin sind klare Empfehlungen für solche
Bereiche die beachtet werden müssen.
Im November
Zweitausendundeins erhielt Dänemark eine liberale Regierung. Damit haben wir
eine Regierung bekommen, die bedeutend mehr Sinn dafür hat, was Infrastruktur
bedeutet für die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes. Deshalb legt der
neue Verkehrsminister dem Fehmarnprojekt eine besondere Bedeutung bei. – Und
darüber freuen wir uns auf Lolland, denn das gibt unserer Wirtschaft Vertrauen
und Zuversicht. Dies konnten wir bereits in unserer Gemeinde deutlich merken.
Seitdem nun untersucht man
die Finanzierungsmöglichkeiten des Projektes. Zunächst wünschten sowohl die
dänische wie die deutsche Regierung, dass das Vorhaben privatverantwortlich
finanziert wird. Bei genauerem Hinsehen und Durchrechnen der Zinsausgaben wurde
es mittlerweile rasch klar, dass man notwendigerweise operieren müsse mit der
einen oder anderen Form von Staatsgarantie. Das ist auch das Modell, das in
Dänemark benutzt wurde bei sowohl Storebælt wie auch Øresund. Eine solche
Garantie hat einen wesentlichen Effekt bei Zinsen, was außerordentlich viel
bedeutet für Projekte dieser Art. In Dänemark wurden wir aber informiert, dass
so ein Modell mit Staatsgarantie nicht vereinbar ist mit dem deutschen
Grundgesetz, aber nun sieht es aus, als wenn es sich trotzdem machen lässt.
Das Einzige was nun fehlt,
bevor man den entsprechenden Grundsatzbeschluss fassen kann zur festen
Verbindung sind neue Verkehrsprognosen. Dies ist auf jeden Fall der Wunsch des
dänischen Verkehrsministers. Und das kann man
ja nur begrüßen, denn die Erfahrungen von Storebælt weisen klar nach,
dass eine Fortsetzung des Fährverkehrs zwischen Puttgarden und Rödby eine reine
Illusion ist. Da dieser Fährverkehr zwischen den beiden Küstenorten
gleichzeitig mehr gestiegen ist, als erwartet, wird die neue Prognose mit
Sicherheit wesentlich höhere Zahlen aufweisen.
Der Ausführungsbeschluss zur
festen Fehmarnbeltquerung wird in Deutschland wie in Dänemark im Frühjahr
Zweitausendunddrei erwartet. Ist der getroffen und mit ja beschlossen, so wird
das gesamte Projekt ausgeschrieben. In Verbindung damit werden die
Betroffenen gefragt nach ihren Wünschen
in Bezug auf die Einzelheiten der Ausschreibung. Das bedeutet, dass alle, die
Interesse am Projekt haben, erklären sollten, was ihre konkreten Wünsche dazu
sind. Das bedeutet natürlich auch, dass man auf kommunalem Niveau diese Wünsche
diskutieren muss, um eine gemeinsame Stellungnahme zu finden. Hierbei ist es
ein klarer Vorteil, wenn dazu eine gemeinsame feste Position in einer Region
erarbeitet worden ist.
Die Wünsche können alles
Mögliche enthalten. Da kann es gehen um Ausbildung von lokalen Arbeitskräften
für die Bauarbeiten. Das kann sich um die Wiederherstellung der natürlichen
Küste handeln. Das kann die Verwendung des lokalen Arbeitshafens sein sowie
Zuliefererarbeit. Das können spezielle Wünsche für die genaue Platzierung der
Zuwegungen oder andere Infrastrukturprojekte sein. Das kann, wie gesagt alles
Mögliche sein. Aber man muss vorbereitet sein, wenn man gefragt wird. - Und
falls die vergessen sollten zu fragen, soll man sich energisch bemerkbar
machen.
Der Ausführungsbeschluss
soll nach Plan im Herbst Zweitausendundvier stattfinden. Und damit ist dann
Schluss mit der Beeinflussungsmöglichkeit auf das Projekt, denn dann wird mit
der Arbeit begonnen.
Aber da sind viele andere
Aufgaben mit denen sich die lokalen Verantwortlichen befassen müssen. In erster
Linie entsteht da die Versorgung all der vielen Arbeitskräfte die von außerhalb
kommen werden. Vor Ort bieten sich dann gute Beschäftigungsmöglichkeiten auf
dieser großen Baustelle, aber sehr viel mehr Fachleute werden hinzu kommen. Ein
großer Bedarf an Platz für Camping- und Bauwagen wird erforderlich sein und für
andere vorübergehende Unterbringungen. Eine große Nachfrage für den täglichen
Bedarf wird entstehen und besonders die Gastronomie wird einige goldene Jahre
erleben. – Aber all dieses ist von
vorübergehender Art.
Parallel zu diesem Aufbau
der Serviceangebote und der Versorgung wird für die längerfristigen
Arbeitsplätze ein besonderer Einsatz erforderlich sein. Wie ich bereits sagte,
ist es das erste Mal seit den letzten fünfzehn Jahren, dass wir eine reelle
Aussicht zur Etablierung neuer Arbeitsplätze haben in unserer Gemeinde Rödby. –
Und es geht dabei nicht nur um ein einzelnes Unternehmen. Nun haben bereits
zwei Firmen ganz konkrete Baupläne und mehrere sind interessiert. Unser größtes
Problem ist faktisch, dass wir nicht genau für die Planung unserer
Gewerbegebiete wissen, wo die feste Beltverbindung genau hinkommt.
Nicht zuletzt gilt das für die
Etablierung eines Containerhafens. Der Plan, vorgelegt von Scandlines, geht von
einer Etablierung eines neuen Verkehrshafens aus, der seine Arbeit aufnehmen
könnte, wenn der Fährverkehr aufhört. Gesprochen wird von einem Hafen für
Ozean-tüchtige Schiffe, wobei die Container umgeladen werden in ein ganzes
System von Frachtschiffen in fester Route zwischen Rødby und den großen Städte
an der gesamten Ostsee. Außer den Containern überlegt man, dass diese Schiffe
Automobile mitführen können als auch Passagiere. Falls diese Pläne realisiert
werden, gibt es für die gesamt Region eine völlig neue Dynamik. Das wäre ein
direkter Zugang zum Ozean-gehenden Containernetz mit den großen Hafenstädten in
der ganzen Welt und Routen zu allen großen Häfen der Ostsee. Gleichzeitig wird
die Umgebung direkten Zugang haben zu den Hauptverkehrsadern sowohl der Straße
als auch zum europäischen Eisenbahnsystem.
Lokal haben wir deswegen
eine Riesenaufgabe uns umzustellen von einem abseits liegenden marginalisierten
Gebiet zu einem Verkehrsknotenpunkt von großen Dimensionen.
Eine der Hauptaufgaben wird
sein, die erforderlichen Arbeitskräfte zur Verfügung zu haben. In der Gemeinde
Rødby arbeiten wir deswegen zielgerichtet an einer Arbeitskraftanalyse. – Und
die ersten Resultate sind keine Schlaflieder für Kommunalpolitiker. Von allen
Einwohnern der Gemeinde zwischen sechzehn und sechsundsechzig Jahren sind nur
fünfundsechzig % in Arbeit. Der Durchschnitt in Dänemark ist achtundsiebzig %.
Diese Zahlen sagen uns, dass
wir sehr schnell einen Mangel an Arbeitskräften haben werden. In dieser
Situation, in der sich unsere Gemeinde befindet, kann dies leicht passieren.
Grund ist, dass viele, die arbeitslos sind , dem Arbeitsmarkt nicht zur
Verfügung stehen. Diese Menschen sind häufig Rentenempfänger aus anderen
Gemeinden und seitdem umgezogen nach Lolland aufgrund der niedrigen
Immobilienpreise. Wir sind deswegen zu der Erkenntnis gekommen, dass die
effektivste Art um die benötigten Arbeitskräfte anzuwerben und zu sichern, die
Wohnungspolitik ist. Es geht um Angebote besserer Wohnungen mit entsprechender
Qualität bis zur Angleichung der Immobilienpreise.
Alles in Allem muss man
sagen, dass der Bau einer festen Fehmarnverbindung eine ganz große Veränderung
in unserem lokalen Bereich sein wird.
Veränderungen, die große Anforderungen an das lokale politische System
bedeuten. Große und viele Probleme werden entstehen in der kommenden Zeit, aber
die Zukunft wird Möglichkeiten bieten von denen wir bisher nicht zu träumen
wagten.
29.Oktober 2002 Flemming Møller