UWE TYCHSEN 
oeffentlich bestellter und vereidigter Sachverstaendiger


 

 

Der Sachverständige im Ortstermin

Entscheidend für das Gelingen des Ortstermins des Sachverständigen ist die gute Vorbereitung. Gesetzliche Regelungen und andere Vorschriften finden wir in der ZPO §§402ff + §§485ff, in der SV-Ordnung des DIHT, in den Merkblättern der IHK für den gerichtlichen SV und zur Durchführung einer Ortsbesichtigung sowie im Praxishandbuch SV-Recht von Dr.Walter Bayerlein. 
Wer ist Auftraggeber? Welcher Art ist der Auftrag? Gerichtlich und wenn ja, nach der ZPO, der StPO oder nach dem Zwangsversteigerungsrecht? Oder hat die Tätigkeit des SV öffentlichrechtlichen Belang, wie zum Beispiel bei kommunalen Aufträgen in Sanierungsgebieten? Oder ist es ganz einfach ein außergerichtlicher Auftrag eines privaten, geschäftlichen oder öffentlichrechtlichen Auftraggebers? 
Bei meinem Vortrag werde ich von einem gerichtlichen Auftrag nach der ZPO ausgehen. Auch bei allen anderen Auftragsarten sollte der öbv Sachverständige prinzipiell nach diesem Muster verfahren, es sei denn der Auftraggeber bestimmt nach eingehender Beratung (beweisbar) etwas anderes. 

Mit mindestens zwei Wochen zwischen Zugang der schriftlichen Benachrichtigung und Termin soll der SV bei allen Verfahrensbeteiligten den OT ankündigen. Bei der Gegenpartei beweiskräftig. In unaufschiebbaren Fällen müssen es mindestens 24 Stunden sein. Der SV sollte sicherstellen, dass allen das vom SV zu behandelnde Thema bekannt ist. Unstreitig erforderliche vorbereitende Maßnahmen hat der SV einzuleiten. 
Der SV muss sicherstellen, dass er rechtzeitig zur Stelle ist. In der Praxis bedeutet das, fünf Minuten vorher im Wagen und wenn es geht das Objekt im Blickfeld. Jeder einseitige persönliche Kontakt mit Beteiligten vor dem OT ist zu vermeiden. Insbesondere nie mit jemandem zusammen zum OT fahren. Ein schwer zu parierender Befangenheitsantrag der Gegenseite wäre die Folge. 

Konflikte treten zu Beginn des OT hin und wieder ein, weil einzelnen Beteiligten der Zutritt verwehrt wird. Dafür gilt grundsätzlich, jede beteiligte Partei kann ihre Anwälte und auch dritte Personen mitbringen. Gelingt dem SV nicht die gütliche Einigung muss er die Entscheidung des Auftraggebers herbeiführen. Bei gerichtlichen Aufträgen muss der zuständige Richter bzw. Rechtspfleger angerufen werden. Im Zweifel muss der SV den OT abbrechen. Strafbewehrte Handlungen wie Tätlichkeiten oder beleidigende Äußerungen während des OT muss der SV im Keim unterdrücken. Gelingt das nicht, ist nach Vorwarnung der Termin abzubrechen. 

Soweit die Aufgabenstellung des SV noch nicht völlig klar ist, muss als erstes darüber eine Erörterung mit den Beteiligten stattfinden. Es empfiehlt sich sehr, dafür alle gemeinsam um einen Tisch zu platzieren. In dieser Runde sollte der SV den Text des Beweisbeschlusses (seines Auftrags) laut verlesen und erörtern. Hier wird der SV auch seine Fragen an den Antragsteller richten, wenn für ihn die schriftlich formulierten Fragen nicht eindeutig sind. Dabei darf der SV ohne Zustimmung des Auftraggebers (sprich: des Gerichts) Wünschen nach Ausweitung des Aufgabenkatalogs auf keinen Fall nachgeben. Hier gilt im Zivil-Prozessrecht die Parteien-Maxime, d.h. behandelt werden darf nur das gegenüber dem Gericht von einer Partei beantragte und nichts darüber hinaus. Einen Vergleich darf der SV nicht von sich aus anregen. 
Sollten ausnahmsweise beide Parteien übereinstimmend einen Vergleich schon beim Ortstermin des SV anstreben, sollte er konstruktiv dazu beitragen und ggf. das Ergebnis auch protokollieren. 

In der Regel wird der SV anschließend die örtliche Inaugenscheinnahme durchführen. Er wird dabei am besten der Reihenfolge der Punkte des Auftrags folgen, um nichts zu vergessen. Auch bei diesem Rundgang dürfen alle Beteiligten dabei sein. Die Prüfung erstreckt sich auf den Augenschein, d.h. was der SV mit seinen fünf Sinnen wahrnehmen kann. Prüfgeräte können dies unterstützen. Geht es um Wohngifte oder andere Schadstoffe wird der SV u.U. auf die Grenzen seiner fachlichen Kompetenz hinweisen. Sind für Prüfungen im nicht zugänglichen Bereich Zerstörungen erforderlich, geht das nur mit Zustimmung des Eigentümers. Diesem oder dem Antragsteller wird der SV dabei in der Regel auch die anschließende Verkehrssicherung und die schadlose Beseitigung der Zerstörung übertragen. 
Wird bei entsprechenden Aufgabenstellungen wie z.B. der Wertermittlung der Baugrund nicht auf Tragfähigkeit oder Altlasten geprüft, sollte der SV entsprechend Vorbehalte kundtun. 

Ich habe mir seit langem angewöhnt, von jedem Ortstermin ein schriftliches Protokoll als Bericht über die Durchführung und den Verlauf des Ortstermins zu fertigen. Darin Geübte können dies gleich vor Ort auf einen Tonträger diktieren. Meine Erfahrung ist, dass Notizen mit anschließendem Diktat und schriftlicher Fixierung komplizierte Abläufe geordneter und für die nachfolgende Arbeit brauchbarer darstellen können. Im Protokoll enthalten sein müssen der SV-Auftrag, die Namen der Anwesenden, der zeitliche Verlauf einschließlich Schilderung des Ablaufs eventueller Konflikte, verwendete Prüfgeräte, Unterlagen und evtl.vor Ort eingesetzte Hilfskräfte und die objektiven Feststellungen des SV. Gleich während des gemeinsamen Augenscheins oder in einem weiteren Rundgang wird der SV eine Fotoserie machen. Die Anzahl der Fotos hängt von der Aufgabenstellung ab. Bei Wertermittlungen reichen in der Regel zwei Fotos jeweils aus der gegenüberliegenden Diagonale. Wird von Beteiligten erwartet, dass der derzeitige Zustand für evtl. folgende Auseinandersetzungen dokumentiert wird, bringen möglichst viele detaillierte Fotos mehr als lange beschreibende Texte. 
Der Auftraggeber hat zu entscheiden, wie viel Exemplare des Gutachtens vom SV zu erstellen sind und wer sie erhalten soll. Er erhält unverzüglich eine Kopie meines Protokolls. Er erkennt daraus, die Sache läuft. Gleichzeitig hat er damit eine letzte Chance des Eingreifens. 

Zum Abschluss meines Vortrags noch ein paar Antworten auf immer wieder gestellte Fragen: 

·  Erscheint eine Partei trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht, kann der Ortstermin durchgeführt werden. Es empfiehlt sich, ca.15 Minuten mit dem Beginn zu warten. 

·  Dem Sachverständigen sind keine Machtmittel gegeben. Insbesondere muss er auf das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung achten. Auf die Folgen von Behinderungen seiner Tätigkeit sollte er den Verursacher hinweisen. 

·  Wird während des Ortstermins jemand als Störenfried vom Hausrechtsinhaber hinausgewiesen, sollte der SV den Ablauf protokollieren und trotzdem den Ortstermin durchführen. 

·  Zeugen vernehmen darf nur das Gericht. Wünscht ein Beteiligter aber eine Äußerung ins Protokoll aufzunehmen, wird sich der SV dem nicht verschließen können. 

·  Tonaufnahmen Dritter muss der SV unterbinden. Das kann z.B. auch das laufende Diktiergerät in der Tasche eines Anwesenden oder das Filmen mit der Videokamera sein. 

Wenn der SV sich im Grundsatz auch bei außergerichtlichen Aufträgen an die vorgetragenen Regeln hält, sollte er immer auf der sicheren Seite sein. Der private Auftraggeber kann über Abweichungen entscheiden. Vernünftigen Argumenten wird sich der SV dabei nicht verschließen. Der SV muss bedenken, dass von ihm in erhöhtem Maße die Einhaltung von Recht und Gesetz erwartet wird. Die Tätigkeit und das Gutachten des öbv Sachverständigen muss von strikter Objektivität sein und im Zweifel gegen jedermann vertreten werden können.

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Update: 2004-september-08  Uwe Tychsen   D-23721 Neustadt in Holstein Postfach 1140   Tel +49 4561 3030 Fax +49 4561 2910 tychsen@t-online.de